Zur Achtsamkeit gehört vor allem eins: Selbstreflexion. Wie oft habe ich mich in meinem Leben gerechtfertigt? Vor mir und vor anderen. Wohl gefühlt habe ich mich damit nicht. Es kostete Kraft und führte zu vielen Konflikten.
Seitdem ich mich mit gewaltfreier und achtsamer Kommunikation beschäftige und die Fähigkeit zur Selbstreflexion entwickelt habe, fiel mir auf: Rechtfertigungen haben in achtsamer Kommunikation nichts zu suchen. Durch Rechtfertigungen habe ich unbewusst versucht, die Verantwortung von mir auf andere zu übertragen. Oft genug habe ich damit Dinge vor mir selbst schön geredet. Und ich habe andere Menschen beobachtet, in der Kommunikation mit mir: Es gab viele Rechtfertigungen und das eskalierte noch jedes einzelne Mal. Von Wertschätzung, Respekt und einer Kommunikation auf Augenhöhe konnte ich nichts mehr spüren.
Wo liegt er nun – der Unterschied zwischen Rechtfertigung und Erklärung?
Den Unterschied spüre ich in der Kommunikation. Rechtfertigung ist eine Mauer bauen – sich erklären, ist dem anderen Menschen die Hand reichen und Verantwortung übernehmen. Mit einer Erklärung zeige ich mich verletzlich und somit authentisch.
Rechtfertigungen werden benutzt, um das eigene Verhalten zu untermauern. Ich bin im Recht. Ich stelle meine Wahrheit auf und rechtfertige mein Handeln damit, vielleicht auch vor mir selbst. Bei einer Rechtfertigung geht es darum klarzustellen, mein Handeln oder meine Worte waren OK und richtig – ohne Wenn und Aber. Egal, ob es doch Fehler war und ich vielleicht sogar jemanden verletzt habe. Flucht vor der Verantwortung – sich davon befreien wollen, bewusst oder unbewusst.
Wir alle tun und sagen etwas und empfinden es in dem Moment als richtig. Wir sind dafür verantwortlich, was wir sagen und tun. Es kommt vor, dass wir damit jemanden verletzen, dass wir Fehler machen. Diese Verletzungen und Fehler können wir nicht rechtfertigen. Eine Erklärung ist da etwas ganz anderes!
Ich erkläre warum ich etwas getan habe und entscheide nicht, ob es richtig war. Eine Erläuterung was ich empfunden habe, warum ich so gehandelt habe. Ich übernehme die Verantwortung. Wenn ich jemanden verletzt habe, ist ein „Es tut mir leid angezeigt“. Wenn ich einen Fehler begangen habe, mache ich ihn wieder gut. Ich bin verantwortlich für die Konsequenzen.
Der spürbare Unterschied zwischen Rechtfertigung und Erklärung liegt in der Wertschätzung. Sich jemandem erklären, um Verständnis bitten, die Bereitschaft zeigen Verantwortung zu übernehmen und ein „Es tut mir leid. Ich werde das ändern.“ über die Lippen bringen können. Es geht um die Verbindung miteinander.
Bei einer Rechtfertigung bleibt das aus. Hier geht es nur darum den eigenen Standpunkt klar zumachen – unabhängig davon, wie das beim Gegenüber ankommt.
Erklärungen bauen zwischenmenschliche Brücken, Rechtfertigungen bauen Mauern.
Erklärungen schaffen Verständnis und Mitgefühl, deeskalieren Konflikte. Rechtfertigungen sind Öl ins Feuer.
Auch wenn man noch so achtsam handelt (und nicht jeder Mensch kann 24/7 achtsam sein), Fehler passieren. Jeder von uns war schon in dieser Situation. Statt sich zu rechtfertigen – schafft ein negatives Gefühl bei sich selbst und beim Gegenüber – kann ich mich erklären und gleichzeitig mitteilen: Ich übernehme die Verantwortung und stehe zu meinen Fehlern. Ich habe es erkannt und kann etwas ändern.
Mit dem Rücken zur Wand stehen ist niemals ein gutes Gefühl. Und in einer gesunden Kommunikation kommt es auch nicht dazu. Hier geht es darum einander wirklich zu verstehen, aufeinander einzugehen, um Respekt und um Wertschätzung – ohne Schuldzuweisungen.
Ich spreche hier für mich und wie ich mir eine Kommunikation wünsche. Vielleicht leben andere Menschen mit ihren Rechtfertigungen gut und möchten daran nichts ändern. Für alle anderen: Es lohnt sich darauf zu achten und in sich reinzuspüren: Wie fühlt es sich an, wenn ich mich rechtfertige und wenn es andere mir gegenüber tun?
Auch wenn es mir noch nicht jedes Mal gelingt: Die Zeit der Rechtfertigungen ist für mich vorbei.