
Gleich vorab, das wird keine wissenschaftliche Abhandlung. Es ist eine Beschreibung, wie ich es empfinde! Ich möchte Menschen ohne Trauma und PTBS etwas näher bringen, warum sich die „Erinnerungen“ (Flashbacks, Albträume, Intrusionen) an das Trauma von normalen unterscheiden und warum es eben für mich keine Erinnerungen sind. Denn eine Frage kommt wirklich immer wieder: „Kannst du es nicht vergessen und loslassen?“ Nein, kann ich nicht! Es führt ein Eigenleben in mir drin und ist immer da. Jeden Tag und jede Nacht! Und es fühlt sich verdammt real an.
Falls irgendwer diesen Film noch kennt: „Und täglich grüßt das Murmeltier“ in der Horrorfassung, in meiner persönlichen Hölle.
Ich habe viel Fachliteratur gelesen und viel in der Therapie gelernt. Ich weiß, „Traumaerinnerungen“ werden in einem anderen Teil des Gehirns, als normale Erinnerungen gespeichert. Und ich kann auch logisch nachvollziehen, das Trauma ist in der Vergangenheit. Nur fühlen kann ich es nicht so.
Ein Beispiel für euch: Könnt ihr euch noch an euren letzten Sommerurlaub erinnern? Ihr wisst, ihr denkt an etwas aus der Vergangenheit. Ihr könnt euch sicher daran erinnern, wie ihr euch gefühlt habt und könnt das auch beschreiben. Ihr könnt noch erzählen, wie schön die Blumen gerochen haben oder wie das Meer rauschte. Ihr könnt euch daran erinnern, wie entspannt ihr wart. Und hier liegt einer der Unterschiede: Ihr fühlt es nicht jetzt genau in diesem Moment so wieder! Ihr seid gerade nicht so entspannt, ihr riecht gerade die Blumen nicht und ihr hört nicht das Meeresrauschen. Ihr seid nicht gerade wieder im Urlaub!
Es sind Erinnerungen! Diese Erinnerungen sind wie aus einem Buch chronologisch für euch abrufbar.
Mit einem Trauma ist das anders. Ein Trauma ist so überwältigend für die Seele, da wird nichts ordentlich abgespeichert. Fetzen, Fragmente und niemals chronologisch und schön sortiert.
Und diese hässlichen Fetzen und Fragmente kommen dann wieder, wenn sie gerade wollen. Ob ich das will, danach werde ich nicht gefragt. Am Ende entscheidet meine PTBS welche Flashbacks und Albträume sie mir in diesem Moment hinrotzt. Keine Kontrolle haben, fühlt sich furchtbar an! Immer und immer wieder das Gleiche erleben, wieder in dieser Hölle sein. Und zwar mit allem drum und dran: Mit den Gerüchen, Geräuschen und mit der überwältigenden Angst, dem Gefühl: total ausgeliefert zu sein. Und mit dem, was passiert ist. Darauf gehe ich nicht näher ein.
Wie sich Flashbacks anfühlen? Stell dir vor, du sitzt gerade irgendwo und trinkst Kaffee, plauderst vielleicht mit jemandem. Plötzlich und ohne Vorwarnung wirst du in einem Strudel wieder zu den furchtbarsten Momenten in deinem Leben gerissen und zwar mittenrein. Mit allen Sinnen, mit allem drum und dran – ein verficktes, komplettes Wiedererleben. Für die Menschen, die mit dir Kaffee trinken, sitzt du noch da. Du bist allerdings weg. Du bist in der Hölle. Und dein Körper reagiert wieder genauso.
Wie das bei mir ausgelöst wird: Tagsüber durch Trigger. Da reicht ein Geruch, ein Wort, eine Berührung, ein Gedanke oder sogar ein Gefühl, ein Gegenstand, eine Ähnlichkeit – Zack! Und ab geht die Trauma Post.
Nachts gibt es keine Trigger, die Albträume kommen einfach so. Jede Nacht seit mehr als einem Jahr nun. Gerade in der Nacht entzieht sich das vollkommen meiner Kontrolle.
Und damit ist der Spaß ja noch nicht vorbei. Mit dem Wiedererleben – besonders danach – kommen auch die quälenden Fragen und Gedanken: Warum? Wie kann ein Mensch einem anderen so was antun? Was hätte ich anders machen können? Wo ist der Sinn? Wie soll ich jemals wieder jemandem vertrauen? Hätte ich es nicht kommen sehen sollen? Wie soll ich damit leben? Werde ich jemals wieder schlafen können? Werde ich jemals nicht mehr vor Angst ständig auf der Hut sein? Etc. etc.
Meine Gedanken und Emotionen rasen von Schuld und Scham zu Ohnmachtsgefühlen und Verzweiflung. Was passiert ist, hat meine ganze Weltordnung auf den Kopf gestellt. Ich fühle mich nicht mehr sicher. Und dass es mir ständig – gefühlt – wieder passiert, macht es nicht besser.
Und ja, in der Therapie wird daran gearbeitet. Ich übe mich in Achtsamkeit, ich meditiere, ich arbeite an mir. Ich will heilen! Und trotzdem ist es nicht vorbei.
Täglich grüßt das Traumatier.
Bild von Stefan Keller auf Pixabay
Wieder einmal ein Beitrag, der hilft zu verdeutlichen, was es bedeutet mit einem Trauma zu leben. Ich wünsche dir weiterhin viel Kraft!! ❤️
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Danke! ❤
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